Mitten in der Pandemie steigt André Berthold, heute 55, in die Selbstständigkeit ein – nicht mit einer Gründung, sondern durch eine Unternehmensübernahme. Heute führt er ein Berliner Softwareunternehmen und blickt auf fünf Jahre als Nachfolger zurück. Ein Gespräch über Verantwortung, Vertrauen und den Wert, nicht alles allein zu machen.
Als André 2020 seinen Job kündigt, will er eigentlich eine Pause einlegen. „Ich wollte in die Musikproduktion einsteigen und dafür eine professionelle einjährige Ausbildung in einem privaten Institut machen“. Dann kam Corona – und aus dem Sabbatical wurde ein Sprung ins kalte Wasser. Statt Auszeit wählte er Unternehmertum. Heute leitet er das Softwareunternehmen brayn.io in Berlin. Der Weg dorthin war alles andere als geplant – aber typisch für viele Nachfolger, die aus einer beruflichen Sackgasse heraus in die Selbstständigkeit finden.
Vom Frust zur Entscheidung
André war lange im öffentlichen Dienst und später in Konzernen tätig. „Mich hat irgendwann gestört, wie unachtsam man im öffentlichen Bereich mit Geld umgeht – mit Geld, das man selbst gar nicht verdient hat“, sagt er. Auch die Erfahrung, Verantwortung nur auf dem Papier zu tragen, habe ihn zunehmend frustriert. „Ich wollte in ein Umfeld, in dem betriebswirtschaftliches Denken selbstverständlich ist.“
Der Auslöser kam mit der Pandemie. Das geplante Sabbatical zerplatzte, der Wunsch nach Autonomie blieb. Also nahm André einen Teil seines Ersparten und machte sich auf die Suche nach einem bestehenden Unternehmen, das er so führen kann, wie er es für richtig hält. „Ich hatte kein Unternehmernetzwerk, niemand Vertrautes, bei dem ich Rat hätte suchen können. Es war eine einsame Entscheidung.“
Lehrjahre auf der Käuferseite
Der Quereinstieg ins Unternehmertum war für André eine steile Lernkurve. Er durchforstete Unternehmensbörsen, prüfte Exposés, sprach mit Verkäufern – und lernte, dass viele Angebote wenig Substanz haben. „Alle Exposés, bei denen eine Kurve gezeigt wurde, die fünf Jahre lang unten auf null herumkrebste und im Jahr des Kaufes explosionsartig durch die Decke gehen würde, habe ich gleich weggeschmissen.“
Er suchte nach einem Betrieb, der zu ihm passte – inhaltlich, menschlich und von der Größe her. „Ich wollte ein Team, in dem ich alle kenne. Ich habe mich mit Strukturen nie recht angefreundet, wo man über mehrere Hierarchieebenen indirekt mit Leuten kommunizieren muss.“
Finanziell setzte er sich enge Grenzen. „Ich wollte meine Familie nicht gefährden und keine Kredite aufnehmen, die mich überfordern.“ Diese Haltung prägte auch seinen Auswahlprozess: lieber klein und solide als groß und riskant.
Schließlich blieb ein Berliner Softwareunternehmen übrig, das individuelle Weblösungen entwickelt. „Ich wollte nicht einen nächstgelegenen Branchenfokus bedienen, sondern einen Betrieb mit Abwechslung und Entwicklungsspielraum.“
Vertrauen statt Zahlenakrobatik
Wie bewertet man ein Unternehmen, wenn man kein BWL-Studium hat? André eignete sich die Grundlagen selbst an, besuchte einen Intensivkurs an einer Abenduni, lernte, Bilanzen zu lesen. Am Ende vertraute er vor allem auf sein Gefühl. „Ich habe mich bei meinem indikativen Angebot an einfachen Multiples orientiert – Umsatz mal eins komma x – und bin wahrscheinlich zu hoch eingestiegen, weil ich nicht aus der Kandidatenauswahl fallen wollte. Aber die ersten Jahre liefen sehr, sehr gut, also habe ich meinen Frieden damit.“
Wichtiger als die Bewertung war für ihn das Vertrauen in die Menschen auf der anderen Seite. „Ich wollte keine Hütchenspieler. Wenn ich gespürt habe, dass jemand nicht ehrlich ist, war ich sofort raus.“ Der Berater auf Verkäuferseite habe den Prozess professionell begleitet: „Er hat nicht nur seriös gearbeitet, sondern auch vermittelt. Das war entscheidend.“
Dass er zunächst für ein halbes Jahr als Geschäftsführer einstieg, bevor er kaufte, war ein pragmatischer Kompromiss. „Das war meine persönliche Probezeit. Ich konnte das Unternehmen erleben, ohne mich sofort zu binden.“ Diese „Due Diligence am Objekt“ sei rückblickend Gold wert gewesen.
Alleinverantwortung nach der Übergabe
Die Übernahme verlief geordnet, die Einarbeitung reibungslos. Doch als die bisherige Geschäftsführerin nach einem halben Jahr ausstieg, traf André die volle Wucht der Verantwortung. „Plötzlich lag alles bei mir – Vertrieb, Konflikte mit Kunden, Entscheidungen, Finanzen, Personal. Ich war überfordert, hatte schlaflose Nächte, das Herz klopfte oft laut.“
In dieser Phase lernte er, wie wichtig geteilte Verantwortung ist. „Ich hätte mir von Anfang an einen Partner suchen sollen. Als ich dies später nachgeholt habe, konnte ich wieder ruhiger schlafen.“
Werte zählen manchmal mehr als Kennzahlen
Rückblickend war Vertrauen für André der entscheidende Faktor bei der Auswahl des Unternehmens. Auch die von Verkäuferseite gut vorbereitete Due Diligence hat zur Vertrauensbildung beigetragen.
Entscheidend war auch, dass der Wertekompass der Verkäufer zu seinem eigenen gepasst hat, sodass es keinen Bruch bei der Übernahme gab. „Ich glaube, dass der Weg, in ein bestehendes Wertesystem einzutreten und es zu teilen, der erfolgreichere ist, um ein Unternehmen weiterzuführen.“
Dieser Erfolg zeigt sich bei brayn.io darin, dass der Kern des Teams bis heute derselbe geblieben ist. „Von den Leuten, die damals da waren, ist niemand wegen meiner Übernahme gegangen.“
Vom Risiko zur Reife
Unternehmertum hat André verändert. „Die Übernahme eines Unternehmens war der erste Schritt zum Mutigerwerden.“ Heute beurteile er Risiken anders als vor mehreren Jahren. „Insofern war es ein guter persönlicher Schritt, Unternehmer zu werden, auch für die eigene Entwicklung.
Auf die Frage, was er künftigen Übernehmern rät, antwortet er ohne Zögern: „Sucht euch Partner, holt euch Beratung, aber bleibt die Entscheidenden. Und prüft den Wertekompass des Unternehmens mindestens so genau wie die Bilanz.“
Für ihn ist klar: Der Schritt in die Nachfolge war richtig – auch wenn er ihn nicht geplant hatte.
Fazit:
Andrés Weg zeigt, dass Nachfolge kein rationaler Checklistenprozess ist, sondern ein persönlicher Reifeweg. Wer ein Unternehmen übernimmt, übernimmt nicht nur Zahlen, sondern Geschichten, Menschen und Verantwortung. Mut, Vertrauen und Partnerschaft sind dabei oft wertvoller als jedes Multiple.
Kontakt zu Brayn.io und André Berthold
brayn.io ist ein Berliner Softwareunternehmen und entwickelt maßgeschneiderte Lösungen und KI Projekte für den Mittelstand.
Wer Interesse an einer Zusammenarbeit mit André Berthold hat, kontaktiert ihn einfach auf LinkedIn.
Das Interview in gesamter Länge:
Das Gespräch mit André Berthold führten Dr. Rahel Stichtenoth und Olaf Stichtenoth
Olaf:
Hallo André! Schön, dass wir heute zum Interview verbredet sind. Wir kennen dich ja schon, für die Leser wäre es schön, wenn du dich und das Unternehmen, das du übernommen hast, kurz vorstellst.
André:
Na klar. Ich bin André, ich werde bald 56 und bin seit knapp fünf Jahren Unternehmer durch eine Übernahme von Anteilen an einer Gesellschaft.
Ich habe Informatik studiert, und das war in meinem Berufsleben immer die Hauptachse. Das Unternehmen brayn.io ist ein Berliner Softwareunternehmen, wir sind Hersteller von Individualsoftware – das heißt: auf individuellen Kundenanforderungen aufbauende softwarebasierte Lösungen, im Wesentlichen im Bereich webbasierter Applikationen. Dazu gehört noch ein eigenes Produkt namens fynbird, für die Finanzverwaltung in kleinen und mittleren Unternehmen. Das ist die Spanne des Unternehmens, das ich damals übernommen habe.
Olaf:
Okay, wo siehst du deine Kernkompetenz? Was hat dich dazu befähigt, so etwas zu machen?
André:
Ja, also meine erste Nicht-Kernkompetenz – also die, die ich nicht habe – ist Vertrieb. Das habe ich gemerkt, nachher auch im Unternehmerdasein, und das bleibt auch so. Und das ist auch die Grundlage dafür, dass ich vorsichtig bin mit dem Formulieren von Kernkompetenzen, weil ich auch mich selbst nicht sehr gut verkaufen kann (lacht).
Was dazu geführt hat, Unternehmer werden zu wollen, ist Selbstbewusstsein – und die fehlende Fähigkeit, sich unterzuordnen in Kontexten, wo man meint, dass man es eigentlich anders machen würde. Das war die Grundlage, mich dafür zu entscheiden. Ich weiß nicht, ob das eine Kernkompetenz ist, aber es war auf jeden Fall ein Auslöser.
Was Kompetenzen in den Bereichen Vertrieb, Produkt, Organisation, Finanzen angeht: Ich bin nun mal auch kein BWLer. Ich habe mir die Finanzseite vor dem Schritt in die Selbstständigkeit angeeignet – und natürlich jetzt auch sehr viel gelernt in den Jahren hier. Organisation und Produkt sind eher meine Themen, und natürlich von der IT-Seite her das Verständnis und das Interesse für die technischen Hintergründe.
Olaf:
Ja, ich glaube, mich zu erinnern, dass du sogar im Bereich Künstliche Intelligenz schon deine Diplomarbeit geschrieben hast.
André:
Genau, ja. Computerlinguistik und Künstliche Intelligenz war damals das Thema – in dem dritten oder vierten KI-Winter, als alle gesagt haben: „Das wird hier nichts mehr mit der KI.“
Entsprechend gab es nach meinem Abschluss auch ganz wenige Unternehmen, bei denen ich sinnvolle KI hätte machen können, weil die Ergebnisse damals so waren, dass man sagte: Das kann doch kein Mensch gebrauchen.
Wir hatten damals ein Projekt, das hieß „VERBMOBIL“, ein DFG-gefördertes Zehnjahresprojekt. Da sollte ein Japaner und ein Deutscher vor einem Gerät sitzen, jeweils in ihrer Muttersprache sprechen, und das Gerät übersetzt es dann auf Englisch, sodass sie sich miteinander unterhalten können.
Da gab es ein paar festgelegte Dialoge, die der DFG bei den Begutachtungen vorgeführt wurden – und man dachte sich: Das funktioniert niemals für beliebige Situationen und wird auch niemals funktionieren. Das war damals ein verbreiteter Gedanke. Aber viele Forscher haben weitergemacht.
Olaf:
Du hast eben angerissen, dass du Schwierigkeiten hattest, dich unterzuordnen, dass du deine eigenen Sachen machen wolltest. Wie ist die Idee bei dir gereift, Unternehmer zu werden?
André:
Na ja, die ist eigentlich schon gereift, als ich noch im öffentlich-rechtlichen System tätig war. Ich war da lange Zeit beschäftigt, und mich hat vor allem gestört, dass man mit Geld, das man nicht selbst verdient hat, so unachtsam umgeht.
Das hat mich zunehmend gestört, und das war dann auch der Auslöser zu sagen: Ich möchte den Job wechseln und in die Wirtschaft gehen, in eine größere Unternehmensgruppe, wo die betriebswirtschaftlichen Themen auch bei jedem Abteilungsleiter präsent sind.
Ich war damals in einer Rolle als Abteilungsleiter, die relativ hoch aufgehängt war in der Unternehmensspitze, weil es um digitale Produkte ging. Da habe ich gemerkt: Du kommst ohne wirtschaftliche Kompetenz nicht vorwärts.
Dann habe ich begonnen, mich mehr und mehr mit diesen Themen zu beschäftigen und gedacht: Das ist eine Sache, die man selbst anstreben kann. So reifte die Idee – und dann kam Corona.
Ich wollte eigentlich ein Sabbatical machen, und das hat mir Corona gründlich zerstört. Ich wollte einen ganz anderen Weg beschreiten, nämlich Musikproduktion lernen, weil ich gerne selbst Musik mache in meinem Leben und ohne ihre Wirkung nicht leben könnte.
Die komplette Basis für dieses Jahr ist durch Corona zerlegt worden, sodass ich mir etwas Neues überlegen musste. Da war die Entscheidung: Ich gehe nicht wieder in ein Angestelltenverhältnis, sondern ich nehme was von dem bisschen Kapital, das ich habe, und gucke mal, wie der Weg damit aussieht.
Rahel:
Du hast dann das geplante Sabbatical-Jahr an der Idee gearbeitet, oder ist sie in dieser Zeit erst entstanden?
André:
Das Sabbatical selbst hat ja gar nicht stattgefunden. Ich hätte es gerade begonnen, aber da die Kurse nicht starteten, hing ich in der Luft. Dann war die Frage: Bewirbst du dich wieder oder gehst du auf die Suche?
Und das war dann eine Sache von einem halben Jahr, in dem sowohl Überlegungen als auch Entscheidungen stattgefunden haben.
Rahel:
Das war also sehr fokussiert.
Olaf:
War für dich von Anfang an klar, welchen Typ von Unternehmen du übernehmen wolltest? Oder hattest du zu Beginn noch unterschiedliche, breitere Vorstellungen? Wie bist du dahin gekommen zu sagen: Das könnte ein Zielunternehmen sein?
André:
Na ja, ich hatte ja gesagt: Sabbatical, um Musikproduzent zu werden. Das heißt, ich war weit weg von dem, was ich bisher beruflich gemacht hatte. Ich wollte eigentlich von der Softwareentwicklung weg und etwas ganz anderes machen.
Entsprechend breit war ich aufgestellt. Ich habe mir Modeunternehmen angeguckt, Vermietungsunternehmen, Hardwareunternehmen – also eine riesige Bandbreite. Ich war komplett offen, und ich war nicht festgelegt, wo die Reise hingeht. Nur interessant sollte die Zielbranche sein.
Ich habe aber bei der Beschäftigung mit diesen verschiedenen Unternehmen gemerkt: Es wird ja nicht besser, wenn du in eine Domäne reingehst, von der du gar keine Ahnung hast.
Deswegen hat es sich am Ende doch wieder auf ein Softwareunternehmen fokussiert.
Rahel:
Gab es irgendwelche Gemeinsamkeiten bei den Unternehmen? Z.B. Größe, oder…
André:
Genau, die Größe sollte handhabbar sein. Ich hatte zwar Führungserfahrung bis zu 200 Angestellten, aber das war mir eigentlich immer zu groß und zu indirekt.
Ich mag es, wenn ich jeden Einzelnen kenne. Mich stört es, wenn mich jemand anspricht, der zu meinem Bereich gehört, und ich nicht weiß, was der macht, wie der heißt, ob der verheiratet ist oder was auch immer. Das hat mich in diesen Situationen total genervt.
Ich war immer relativ nah dran an den Leuten, mit denen ich gearbeitet habe in allen Kontexten meiner beruflichen Laufbahn, und deswegen habe ich gesagt: Ich möchte ein Team haben, bei dem ich von jeder und jedem Einzelnen weiß, wie seine oder ihre persönliche Disposition ist.
Und zum Zweiten hat mich die ganze hierarchische Thematik gestört – über eine oder zwei Stufen indirekt mit Leuten zu reden, das war nicht mein Ding.
Deswegen habe ich gezielt nach Unternehmen gesucht, die klein waren, bis etwa 20 Mitarbeiter. Und das passte dann auch wiederum zu den Umsätzen und damit zu meinem Eigenkapital.
Olaf:
Als du dann Stück für Stück gemerkt hast, dass Software das Thema ist, bei dem du eine stärkere Kompetenz und ein besseres Verständnis hast – hast du dir dann verschiedene Softwareunternehmen angeguckt?
André:
Ja.
Olaf:
Und dann war klar, dass es keine Software-Hardware-Mischung werden soll, sondern wirklich Software?
André:
Das hat sich dann ergeben. Du erhältst erst einen Teaser auf einer Unternehmensbörse. Ich habe damals NextChange und die Deutsche Unternehmerbörse gescannt.
Mit dem Teaser überlegst du: Interessiert mich das oder nicht? Dann schreibt man hin, unterzeichnet ein NDA und bekommt weitergehende Unterlagen – so eine Art Exposé.
In dem Exposé stehen ein paar Dinge drin – mehr oder weniger gut. Alle Exposés, bei denen eine Kurve gezeigt wurde, die fünf Jahre lang unten auf null herumkrebste und im Jahr des Kaufes explosionsartig durch die Decke ging, habe ich gleich weggeschmissen. Ich konnte keinen Moment glauben, dass alles so vorbereitet war, dass gerade verkauft wird, wo es „durchstartet“.
Am Ende blieb eine kleine Auswahl übrig. Ich hatte drei Sachen parallel, bis ich mich entschieden habe.
Olaf:
Wie viel Rolle hat dein Budget dabei gespielt?
André:
Schon eine große Rolle. Es war ja auch die Frage: Was kann ich mir leisten, ohne mich zu überreizen und meine Familie zu gefährden?
Die Idee des insolventen GmbH-Geschäftsführers, bei dem der Durchgriff ins Privatvermögen auch bei kleinsten Dingen trotz der beschränkten Haftung greift, hätte ich meiner Familie nicht zumuten wollen.
Ich wollte das auch nicht mit einem Kredit hinterlegen, der nicht rückzahlbar ist, falls die Erwartungen nicht eintreffen. Insofern war das eine ganz klare Rahmenbedingung.
Olaf:
Okay. Und was hattest du für Ansprüche? Du hast ja schon gesagt, dass du auf der Börse alles Unglaubwürdige aussortiert hast. Aber es gab bestimmt noch gewisse Kriterien, neben einem Team bis 20 Leute und Software.
André:
Die habe ich gar nicht so spitz formuliert, weil die Auswahl schnell zusammengeschrumpft ist – von dem, was auf dem Markt überhaupt angeboten wurde.
Ich war nicht bei einem M&A-Berater, der vielleicht ein breiteres Portfolio gehabt hätte, mit Angeboten, die gar nicht inseriert sind, sondern habe mich nur aus diesen Börsen bedient.
Das Angebot war relativ schmal. Es war das Corona-Jahr. Ich weiß noch: Ich hätte eine Werbeagentur geschenkt bekommen – wirklich geschenkt. Bloß in dem Moment wusste man nicht, was man damit anfangen sollte, weil alle wirtschaftlichen Aktivitäten zum Erliegen gekommen sind.
Bei diesem Angebot dachte ich erst: Boah, geil – eine Werbeagentur! Aber warum verschenkt jemand ein Unternehmen, das er 20 Jahre erfolgreich geführt hat? Da muss ihm wirklich das Wasser bis zum Hals stehen. Und wenn schon der Erfahrene passen muss, was soll dann der Unerfahrene tun… ?
Softwareunternehmen gab es nicht viele, die einen gewissen Freiheitsgrad hatten. Ein weiteres Kriterium war die Themenauswahl:
Ist es wieder die hinterste Nische der Energiebranche, wo man Embedded Software für Kilowattstundenzähler baut? Oder etwas, das mehr Offenheit und einen breiteren Ansatz bietet?
Ich war vorher immer mehrere Jahre für Produkte zuständig – ein Produkt, zwei, drei – die kontinuierlich weiterentwickelt wurden. Das wird mit der Zeit zäh, da muss man raus.
Das wollte ich nicht wiederhaben: in einer Nische zu sitzen, in der alles andere keine Rolle spielt.
Und da wurde die Auswahl dann eben schnell sehr klein.
Olaf:
Okay. Vielleicht schauen wir noch mal darauf, wie du die Unternehmen beurteilt hast. Du hattest nur eine überschaubare Anzahl, aber man kann ja aus verschiedenen Blickwinkeln draufschauen.
Wenn man ein Unternehmen übernimmt, dann will man es ja wahrscheinlich auch weiterbringen.
Was war da dein Ansatz?
Bist du eher jemand, der etwas Staubiges übernimmt und modernisiert? Oder willst du etwas Stabiles ins Wachstum bringen? Oder ineffiziente Strukturen bereinigen und Sparpotenziale heben?
André:
Mein Gedanke war nicht, eine Maschine zu kaufen, mit der ich möglichst viel Geld scheffle, sondern einen Platz im wirtschaftlichen Ökosystem zu finden – mit einem Unternehmen, bei dem das Auskommen gesichert ist und die Möglichkeit für Profite besteht.
Wobei die Profitorientierung, das kapitalistische Prinzip, mir nicht so eingewebt ist – vielleicht auch durch meine Herkunft. Ich bin in der DDR aufgewachsen, habe 19 Jahre DDR-Sozialisierung erlebt und musste den Kapitalismus erst lernen.
Mein Interesse war nicht, eine Maschine zu haben, die viel Geld ausspuckt, damit ich mich auf die faule Haut legen kann.
Ich wollte an der Wertschöpfung beteiligt sein und das Auskommen für die Familie sichern – und, das wurde mir erst später klarer, auch für die Familien der Angestellten.
Das war ein Punkt: die direkte Verantwortung für das, was am Monatsende als Gehalt ausgezahlt wird. In früheren Jobs war das immer da, auch wenn ich Mitarbeiter hatte – darum musste ich mich nicht darum kümmern, dass die am Ende des Monats ihr Geld bekommen. Hier war das anders, und das spielte eine Rolle.
Erneuerung oder Vision spielten eine Rolle, aber ich hatte mir keine Vorgaben gemacht: Ich suchte nicht nach einem bestimmten Ziel.
Mit dem Softwareprodukt fynbird habe ich Chancen gesehen: eine Produktkiste neben eine Projektkiste zu stellen und auf zwei Beinen zu stehen. Das war bei dem Target-Unternehmen, das es am Ende geworden ist, tatsächlich möglich.
Ich hatte auch Unternehmen im Portfolio, die Drucker herstellten – da wusste man: Das wird nichts. Das hätte keinen Sinn ergeben, und ich hätte keine Idee gehabt, wie ich es erneuern könnte.
Insofern – ja, es ist komisch: So ein klares Ziel hatte ich da eigentlich gar nicht, dafür wusste ich viel zu wenig darüber, was das alles bedeuten würde.
Olaf:
Du hast ja schon deine Zukunftsvision – wie sich die Welt entwickelt – mit einfließen lassen. Wenn du sagst: „Drucker, okay, die werden irgendwann abgelöst von elektronischen Dokumenten“, dann hat das für dich eine Rolle gespielt, ob das Unternehmen deiner Vorstellung von der Zukunft gewachsen ist.
André:
Digitalisierung war damals ein großes Wort, und es gab viele Prozesse, bei denen man gesehen hat: Das funktioniert einfach noch nicht richtig.
Ich habe da einen großen Markt gesehen für ein Unternehmen, das in dieser Branche tätig ist. Das hat sich in den letzten fünf Jahren anders entwickelt als erwartet, aber es war damals die Themenstellung: zu sagen, ich kann mit Software Prozesse verbessern und vereinfachen und sie damit angenehmer gestalten.
Das war die Triebkraft – ohne Branchenfokussierung.
Rahel:
Du hast deine Familie schon erwähnt – dass dir wichtig war, sie nicht zu gefährden. Wie war es umgekehrt? Wie stand deine Familie zu dieser neuen Idee, eine eigene Firma zu führen?
André:
Die fanden das, glaube ich, schon sehr gewagt. Wir haben damals zwei Firmen gekauft – die zweite Firma habe ich mit meiner Frau betrieben. Der Kauf hat ungefähr zum gleichen Zeitpunkt stattgefunden.
Insofern habe ich die Flucht nach vorn angetreten, indem ich sie mitgenommen habe. Die Familie hat das mitgetragen. Alle haben gesagt: Das ist interessant und spannend.
Das mit der Softwarefirma konnten sie nicht richtig beurteilen. Sie haben gesagt: Das wird schon richtig sein – du hast 20 Jahre Erfahrung, also wirst du die richtige Entscheidung treffen. Was das Betriebswirtschaftliche oder die Finanzen angeht, da hatte ich freie Hand und Vertrauen. Ich hatte an keiner Stelle das Gefühl, dass jemand sagt: Um Gottes willen, bist du wahnsinnig, mach das bloß nicht!
Allen war aber klar, dass es ein Abenteuer wird.
Rahel:
Das ist eine luxuriöse Position – dass du nicht zusätzlich Widerstände hattest, gegen die du ankämpfen musstest oder wo du dich durchsetzen musstest. Das hat wahrscheinlich gut geholfen in der ersten Zeit, oder?
André:
Das hat geholfen – in der ersten Zeit. Wir kommen nachher noch zu dem Punkt, wie es nach der Übernahme weiterging.
Da war der Weg erstmal offen, und man konnte das Ganze angehen. Das war zum 1.1., ein Jahreswechsel, bei dem man wusste: Okay, es geht etwas Neues los.
Es war Ende 2020, wir waren gerade im zweiten Lockdown, und man hoffte, dass das der letzte gewesen sein könnte. Keiner hatte damit gerechnet, dass mindestens noch einer kommt, nachdem der erste schon heftig war. Man hat ihn später nur noch als kleines Häufchen auf der Statistikkurve gesehen – im Gegensatz zu dem, was danach kam.
Es war sowieso eine Zeit, in der man dachte: Was ist hier gerade los? Die Welt hatte einen Kurzschluss. Es gab viele Gedanken, die nicht mehr sortiert waren.
Man hat sich gesagt: Was machen wir hier eigentlich? Aber auch das Gefühl: Man reitet jetzt einfach – wie der apokalyptische Reiter – mit, egal ob es klappt oder nicht.
Olaf:
Es ist ein relevanter Schritt – und ein gewisser Mut gehört dazu. Du hast gesagt, die Sicherheit der Familie war dir wichtig. Andererseits hast du einen sehr mutigen Schritt gemacht.
War das ein Konflikt – zwischen einem sicheren Job auf der einen Seite und der Übernahme eines Unternehmens, einer ganz anderen Rolle in der Gesellschaft?
André:
Auf jeden Fall. Aber das war der erste Schritt zum Mutigerwerden.
Ich bin in den fünf Jahren, glaube ich, noch mutiger geworden – nicht im Sinne von risikoaffiner. Jemand hat mir mal gesagt, ich sei risikoavers. Ich habe das nie so gesehen, sondern eher das Gefühl gehabt, dass ich vielleicht erstmal zu viele Sicherheiten haben will, bevor ich losgehe.
In der heutigen Zeit – fünf Jahre später – muss man sagen: Der Schritt damals war der Auslöser dafür, heute eine Risikobeurteilung anders vorzunehmen, als ich sie vor sechs Jahren getroffen hätte.
Insofern war es ein guter persönlicher Schritt, das gemacht zu haben, auch für die eigene Entwicklung.
Rahel:
Also, du nimmst heute auch in komplett anderen Bereichen Einschätzungen anders vor? Interessant!
Olaf:
Mit wem hast du damals deine Ideen geteilt? Hattest du Leute, die dir als Sparrings- oder Diskussionspartner zur Verfügung standen?
André:
Also, ich hatte niemanden im Freundeskreis, der mich da hätte beraten können – niemanden, der Unternehmer war.
Ich habe mir Hilfe bei den Industrie- und Handelskammern gesucht. Da gibt es Beratungsmöglichkeiten, und die vernetzen auch mit Leuten. Ich hatte eine Zeit lang einen Coach, mit dem ich das besprechen konnte – aber das war alles sehr weit weg.
Am Ende habe ich alle Entscheidungen allein getroffen und musste das mit mir selbst abmachen, dass ich das jetzt mache und diesen Weg einfach weitergehe.
So ein bisschen wahrscheinlich wie auf dem Jakobsweg: Du läufst einfach, und du weißt, du musst jetzt weiterlaufen – aufhören geht nicht.
Olaf:
Das heißt, du würdest schon sagen, der Weg ins Unternehmertum ist auch ein bisschen eine einsame Entscheidung?
André:
Das kommt, glaube ich, aufs Umfeld an. Meins war halt nicht so, dass ich Unternehmer um mich herum gehabt hätte.
Das ist auch noch mal das Thema Netzwerk – da kommen wir später noch drauf –, weil das ein Punkt war, den ich relativ schnell bemerkt habe: Mein Netzwerk passte eigentlich nicht dazu.
Ich hatte einen angestellten Freundeskreis und ein entsprechendes Umfeld. Es war also schon eine einsame Entscheidung.
Aber wenn du in einer Unternehmerfamilie aufwächst – und da gibt es ja viele Beispiele in den Medien – dann kriegst du das von Anfang an mit.
Ich habe das Unternehmertum 20 Jahre lang im System um mich herum nicht erlebt, dann während der Zeit des Studiums und auch mehr als 20 Jahre im Angestelltenverhältnis nicht – und mit 50 habe ich gesagt: Jetzt müssen wir uns das mal angucken.
Also ja, das war eine einsame Entscheidung. Aber das muss nicht für jeden so sein – es kann ganz andere Kontexte geben, die das erleichtern oder erschweren.
Olaf:
Und dann – wir haben ja schon ein bisschen drüber gesprochen – hast du dir verschiedene Unternehmen angeschaut.
Wusstest du eigentlich, wie so ein Unternehmenskauf funktioniert?
André:
Nein. Ich habe mich kundig gemacht – aber das war damals ein viel mühsamerer Weg als heute.
Wenn ich heute bei ChatGPT frage: „Wie läuft ein Unternehmenskauf ab?“, bekomme ich eine sehr qualifizierte und detaillierte Ausarbeitung. Das hätte ich mir damals gewünscht.
Ich habe mir das Wissen aus verschiedenen Quellen zusammenkompiliert, hier gelesen, da geschaut – aber eigentlich hatte ich keine Ahnung.
Olaf:
Und was heißt verschiedene Quellen? Also hauptsächlich Internetrecherchen? Oder hast du auch ein Buch dazu gelesen?
André:
Ja, Bücher und Internetrecherchen – das waren die Grundlagen.
Jedes davon beleuchtet immer nur einen Teilaspekt. Es gibt ja eine ganze Menge betriebswirtschaftlicher Kennzahlen, und ich hatte – wie gesagt – keinen betriebswirtschaftlichen Hintergrund.
Das habe ich mir dann in einem Intensivkurs an einer Abenduni angeeignet, bevor es zum Kauf kam. Ich wollte einfach BWAs und Jahresabschlüsse lesen können – das war Voraussetzung. Das habe ich mir in einem geordneten Kurssystem angeeignet.
Der Rest war dann zusammengesuchtes Wissen. Da gab es auch viele widersprüchliche Sachen – etwa zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers: Wann haftet der, in welchen Fällen?
Da stehen dann so nebulöse Dinge: einmal „beschränkt“, dann wieder „Vollstreckung ins Privatvermögen“. Und man fragt sich: Wann sind denn jetzt diese Fälle? Was heißt das alles?
Das waren schon interessante Geschichten – oder auch die ganzen KPIs, die zwar meist geradeaus beschrieben werden, aber wo man sich fragt: Was steckt eigentlich dahinter? Wie kann ich das bewerten? Ist diese Kennzahl sinnvoll oder nur da, um sich daran zu erfreuen, dass sie steigt oder sinkt?
Insofern war das zusammengesuchtes Wissen. Und heute hast du halt so eine Bombenmaschine, die dir das alles mal in den Kontext stellt.
Ich habe damals unzählige Webseiten einzeln durchforstet – was man heute in Minuten aus ChatGPT bekommen würde. Ein KI-basierter Bot hätte mir damals extrem geholfen, das alles schneller zu verstehen.
Olaf:
Okay, du hast jetzt schon ein Stück weit beschrieben: Du hast verschiedene Unternehmen angeguckt und dann eine gewisse Auswahl getroffen. Ich glaube, du hast vorhin gesagt, du hast dich mit drei Unternehmen näher beschäftigt?
André:
Am Ende, ja.
Olaf:
Und hattest du dabei irgendeinen Berater – also jemanden, der mit dir diese Unternehmen angeschaut hat? Oder hast du einfach mit deinem ganzen Selfmade-Wissen die Unternehmen angeguckt und gesagt: Okay, da mache ich weiter.
André:
Genau so. Das Schwierige ist ja, wenn du in eine Unternehmensbewertung reingehst – auch wenn es erstmal nur der Teaser ist und ein paar BWAs oder das Exposé – du gehst schon so tief in den Prozess rein, dass du eigentlich jemanden haben müsstest, der die ganze Zeit dabei ist.
Das kann man nicht streckenweise begleiten. Und in dieser Phase Informationen für jemanden zu filtern, um sich dann eine andere Meinung einzuholen, hat auch das Risiko, dass du es so formulierst, wie du es selbst interpretierst – und dir dadurch natürlich die Meinung holst, die du auch haben willst.
Also eine objektive Beurteilung – da müsste wirklich jemand die ganze Zeit mit dir nebenherlaufen und das begleiten.
Das kann man haben. Es gibt ja Berater, die man sich dafür einkaufen kann. Ich hatte das damals für mich ausgeschlossen – aus Kostengründen.
Ich war, glaube ich, zu geizig, zu sagen: Ich will da jetzt noch jemanden fragen.
Ich hatte damals eine sehr schlechte Erfahrung mit einem Juristen gemacht, der mich bei gesellschaftsrechtlichen Sachen beraten sollte. Und was der mir dann geliefert hat – für 2.000 Euro – das war offensichtlich aus dem Internet. Da waren noch die Zeilenumbrüche aus dem PDF drin, aus dem das kopiert war.
Und dafür habe ich 2.000 Euro bezahlt. Da habe ich gedacht: Nee, das kann ich dann selber – das Geld spare ich mir, auch wenn ich vielleicht den ein oder anderen Fehler mache.
Aber aus heutiger Sicht muss ich das korrigieren: Das war nicht adäquat. Man findet gute Berater draußen – aber man muss sie eben wirklich finden. Am besten wohl aus einem Netzwerk, das damit Erfahrungen hat.
Olaf:
Was hättest du dir im Nachhinein an Beratung gewünscht – gerade in diesem Vorfeld, als du verschiedene Unternehmen angeschaut hast?
André:
Gesellschaftsrechtliche Beratung hat mir gefehlt, weil einfach das Verständnis für die verschiedenen Gesellschaftsformen nicht da war.
Die Unternehmen waren in unterschiedlichen Rechtsformen unterwegs – es waren nicht alles GmbHs. Es gab Einzelunternehmen, KGs, GmbH & Co. KGs, GbRs – also wirklich alles, was das Gesellschaftsrecht hergibt.
Und was bedeutet das dann in dem jeweiligen Fall? Wo stehe ich da im Wind, welche Beteiligung habe ich, welche Rechte, Anteile zu bekommen?
Ich habe mich am Ende für eine GmbH entschieden – nicht nur, weil das von anderen Kriterien her am besten passte, sondern weil bei der GmbH die meisten Dinge für mich viel klarer und besser geregelt waren als in anderen Gesellschaftsformen.
Da hätte ich mir tatsächlich einen Berater gewünscht. Auch das habe ich mir über längere Zeit selbst erarbeitet, um zu dieser Entscheidung oder Einschätzung zu kommen.
Oder auch die Frage: Was muss ich als Geschäftsführer vertraglich alles beachten, damit ich mich absichere und keine Sachen unterschreibe, die mir später zum Schaden gereichen?
Im Bereich der betriebswirtschaftlichen Zahlen wäre es auch hilfreich gewesen, jemanden zu haben, weil ich da viele Lücken hatte und oft einfach drüber gegangen bin nach dem Motto: Na ja, das wird schon irgendwie passen oder ist vielleicht nicht so wichtig.
Da hätte ich jemanden gebraucht, der sagt: Schau hier noch mal – da gibt es etwas, das solltest du sehen, da solltest du drauf achten.
Olaf:
Ich stelle mir das relativ abstrakt vor, wenn man so einen Teaser oder ein Memo zugeschickt bekommt und dann darauf basierend irgendwas einschätzen soll.
Wie war das für dich? Hast du da ein Gefühl dafür entwickelt – zu sagen: Okay, da stehen jetzt Zahlen, aber dahinter stehen ja auch Menschen, Produkte, Leistungen. Konntest du dir das vorstellen aus den abstrakten Unterlagen?
André:
Ich habe das so gemacht wie damals bei meinem ersten Bewerbungsgespräch – als ich nach dem Studium Bewerbungen geschrieben habe.
Ich habe mich bei Firmen beworben, bei denen ich eigentlich gar nicht arbeiten wollte. Ich bin zu diesen Bewerbungsgesprächen hingefahren, einfach um Erfahrung in Bewerbungsgesprächen zu sammeln – um dann, wenn ich mich da bewerbe, wo ich wirklich hinwill, gewappnet zu sein.
Also ein paar Mal schwimmen gehen, um zu wissen, wie der Wettkampf aussehen könnte.
Ich habe es da genauso gemacht: Ich bin in die Unternehmen gefahren – weit übers Land, irgendwo in die Gegend hinter Trier und in die Priegnitz –, wo ich schon beim Hinfahren wusste: Ich werde es nicht kaufen.
Ich wollte nur wissen, was der Verkäufer mir über sein Unternehmen erzählt, wie der Prozess funktioniert. Ein bisschen gemein gegenüber dem Verkäufer – aber ich wusste: Ich brauche dieses Lehrgeld, um einschätzen zu können, was ich zahlen und einnehmen muss, wenn ich wirklich bewerten will.
Und das hat mir sehr viel gebracht – verschiedene Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen anzuschauen und zu verstehen, was die Zahlen in den Unterlagen bedeuten.
Das war dann auch meistens ein direkter Kontakt „am Objekt“ – man hat gesehen, was das Unternehmen tut. Das waren noch keine Softwareunternehmen, sondern eher andere Branchen.
Das hat unheimlich geholfen.
Olaf:
Okay, und das war bei dir aber auch deswegen möglich, weil du im Prinzip schon ein Sabbatical geplant hattest und Zeit aufwenden konntest – also keine hohen Opportunitätskosten hattest. Wenn du nebenbei gearbeitet hättest, hätte das wahrscheinlich gar nicht so geklappt, sich dieses ganze Wissen anzueignen, oder?
André:
Ich hatte mir fürs Sabbatical keinen Lohn gezogen. Ich hatte das alles so vorbereitet, dass ich ein Jahr finanziell ausgekommen wäre, ohne dass mir jemand etwas zahlen muss.
Und dann war das Sabbatical weggeflogen, weil das Unternehmen, bei dem ich den Kurs machen wollte, diesen Kurs einfach nicht mehr angeboten hat.
Dann saß ich da und dachte: Was denn jetzt?
Und dann dachte ich: Okay, dann nutze ich die Zeit – dann ist das jetzt das Sabbatical zum Lernen, wie man Unternehmer wird.
Olaf:
Das ist ja auch eine große Aufgabe.
Und dann warst du quasi an dem Punkt, dass du gesagt hast: Okay, da gibt es jetzt drei Unternehmen, die habe ich mir ein bisschen genauer angeguckt.
Üblicherweise sagen diese Unternehmen dann: „Du hast jetzt von uns ein paar Unterlagen bekommen – mach uns mal ein Angebot, ein indikatives Angebot.“
War das bei dir ähnlich, oder war der Prozess ganz unterschiedlich?
André:
Die Prozesse waren sehr unterschiedlich gestaltet. Bei dem Unternehmen, bei dem ich dann Anteile gekauft habe, war das indikative Angebot sehr früh gefragt, um weitere Unterlagen zu bekommen.
Man musste sich sehr früh committen, was ich nicht angenehm fand – was aber aus Sicht der Verkäufer natürlich ein schlauer Schachzug ist oder der Agentur, die die Verkäufer begleitet.
Weil du die Gegenseite zwingst, sich sehr früh ein bisschen festzulegen – vielleicht auch auf einen Betrag, der am Ende zu hoch gegriffen ist.
Wenn er zu niedrig ist, wirst du wahrscheinlich hören: Wir werden nicht ins Geschäft kommen. Und wenn du zu hoch reingehst, wird dir niemand sagen: Du bist zu hoch reingegangen – sondern sie nehmen es natürlich gern.
Diese Situation fand ich als potenzieller Käufer sehr unangenehm, weil gar nicht die Gelegenheit da war, erst mal in die Tiefe zu gehen.
Aber ich kann das voll und ganz verstehen aus der Verkäufersicht, dass man dort Spreu vom Weizen trennt.
Denn genau das habe ich ja selbst gemacht: Ich hatte bei anderen Unternehmen die Unterlagen angeschaut und bin hingefahren. Die haben das eben nicht mit dem indikativen Angebot gemacht, und ich habe es ausgenutzt, dass ich mich dadurch selbst schlau machen konnte. Sie haben mir ihre Zeit geopfert und mir geholfen, mich auszubilden. Insofern ist das ein sehr ambivalentes Thema.
Und zu einem Angebot muss man ja trotzdem irgendwann kommen.
Von den drei Unternehmen haben wir am Ende zwei gekauft – eins meine Frau, eins ich. Das dritte ist dann rausgefallen.
Also ja – ein indikatives Angebot kommt irgendwann, früher oder später. Aber es waren keine homogenen Prozesse, bei denen alles zum gleichen Zeitpunkt stattfand.
Es gab viele Unternehmen, die gesagt haben: Wir haben folgende Vorstellung vom Kaufpreis. Und dann sagst du: Ja, ja, und machst weiter – auch wenn du weißt: Das wird nicht mein Kaufpreis sein.
Olaf:
Du hast ja relativ viele Unternehmen angeguckt – kleinere, vielleicht auch ein paar mittlere Unternehmen, je nachdem, wie man das definiert.
André:
Ich glaube, dafür waren es zu wenige, um allgemein sagen zu können, wie das wäre.
Bei NextChange musst du, wenn du ein Unternehmen einstellst, angeben, in welcher Klasse du bist: 0 bis 50.000, 50.000 bis 250.000, 250.000 bis 500.000, dann 500.000 bis 2 Millionen.
Das sind so die Klassen. Da kannst du aber auch noch nicht viel ablesen – du kennst nur die untere Grenze.
Rahel:
Waren für dich die Preise, die die Verkäufer gefordert haben, nachvollziehbar? Also passte das für dich einigermaßen zusammen bei den verschiedenen Unternehmen – oder hattest du das Gefühl, die bewerten sich völlig unterschiedlich?
André:
Das war teilweise sehr absurd. Also so, dass man sich fragt: Wie kommt ihr denn darauf?
In der Regel war es immer viel höher, als ich es selbst eingeschätzt hätte – was man natürlich klugerweise auch so macht, weil einfach ein Verhandlungsspielraum da ist.
Aber teilweise war es auch schlicht Wunschdenken der Verkäufer.
Rahel:
Und auf welcher Grundlage hast du dann ein indikatives Angebot gemacht? Das ist ja eine schwierige Aufgabe – gerade, wenn man das noch nie gemacht hat, ein Unternehmen zu bewerten.
André:
Ja, das ist schwierig. Es gibt im Prinzip zwei Ansätze dafür. Ich habe mich lange damit beschäftigt, mit welchen Verfahren man Unternehmenswerte ermittelt.
Da gibt es verschiedene Verfahren, die vom Sachwert ausgehen, vom Ertragswert oder einer kombinierten Variante. Die Verfahren waren aber für mein Gefühl alle sehr schwammig definiert, sodass man relativ wenig daraus ableiten konnte.
Die zwei einfachen Methoden – mit dem Umsatz oder mit dem Ertrag zu rechnen, also ein Multiple auf den Ertrag oder den Umsatz – waren dann eigentlich die hilfreichsten Elemente, um eine Entscheidung treffen zu können.
Ich glaube, dass ich damals einfach zu hoch reingegangen bin – aus der Angst heraus, aus der Kandidatenauswahl zu fallen.
Bei dem Unternehmen war es sehr gut, am Umsatz anzusetzen – also ungefähr 1 bis 1,1 × Umsatz.
Mit dem Ertragsmultiple wäre der Wert niedriger ausgefallen, aber ich habe mich damals nicht getraut, mich dazwischen zu positionieren.
Ich glaube trotzdem nicht, dass ich zu viel bezahlt habe – zumal die ersten beiden Jahre sehr, sehr gut funktioniert haben.
Im Rückblick habe ich also meinen Frieden damit.
Wenn es schlechter gelaufen wäre, hätte ich wahrscheinlich gehadert mit meinem indikativen Angebot, auf dessen Grundlage wir dann auch den Vertrag geschlossen haben.
André:
Eine große Rolle.
Es war erst einmal die Frage: Wen habe ich da vor mir, der mir sein Unternehmen übergeben will?
Was habe ich für ein Gefühl dabei – habe ich den Eindruck, dass es einen ehrlichen Dialog gibt oder dass mir permanent Hütchenspiele vorgespielt werden?
Wenn ich Letzteres gespürt habe, war ich sofort raus – oder habe es höchstens noch weitergetrieben, um mein Lehrgeld zu vergrößern.
In dem Fall hier war ein Berater beteiligt – und zwar einer, der nicht nur einen seriösen Eindruck machte, sondern auch in einem Kontext arbeitete, in dem man auf beiden Seiten sehr sachlich und objektiv miteinander umging.
Natürlich sind die Positionen gegensätzlich: Ein Verkäufer sieht sein Unternehmen immer mit anderen Augen als ein Käufer.
Aber der Dialog war sachorientiert – und das hat mir sehr gefallen.
Das war, glaube ich, einer der ausschlaggebenden Punkte.
Denn es ging ja auch darum, dass die damalige Geschäftsführerin das Unternehmen nach dem Einstieg noch ein halbes Jahr begleiten würde.
Und das ist ja auch ein wichtiger Punkt: Wer arbeitet dich nachher ein?
Ist das jemand, der dich einfach hinstellt und sagt: Schau mal selbst?
Oder jemand, bei dem du erwarten kannst, dass du wirklich eingeführt wirst – bis zum Ausstiegsmoment der alten Eigentümer?
Auch da hatte ich ein gutes Gefühl, das sich später bestätigt hat.
Das war ein sehr wichtiges Kriterium: eine Übergabe zu haben, bei der ich wusste, da knallt nicht einfach eine Tür zu mit „Tschüss, danke, dass du gekauft hast“, und dann ist plötzlich niemand mehr da.
Olaf:
Du hast eben gesagt, beim Unternehmen, das du gekauft hast, war ein Berater auf Verkäuferseite dabei.
Wie war das für dich, allein den Gesellschaftern und dem Berater gegenüberzusitzen?
André:
Ich hatte das ganz starke Gefühl, dass er wirklich als Vermittler agiert.
Was ich damals nicht wusste – naiverweise –, war, dass er natürlich eine Provision bekommt. Ich weiß nicht, wie hoch sie in dem Fall war, aber ich weiß, wie solche Provisionen in anderen Kontexten aussehen.
Das ist für ihn eine interessante Sache – er ist daran interessiert, den Verkauf zum Abschluss zu bringen, und zwar zu einem möglichst hohen Preis.
Das wusste ich damals nicht. Ich glaube aber, das hatte keinen großen Einfluss auf seine Arbeit.
Wir hatten verschiedene Termine in unterschiedlichen Konstellationen – mal zu dritt, mal zu zweit, mal nur mit dem Berater oder einem Alteigentümer allein.
Mir war wichtig, dass die Informationen konsistent waren – dass sich nicht jeder etwas anderes ausdenkt, um mir etwas schmackhaft zu machen.
Und das war gegeben. Es war alles konsistent, unabhängig davon, wen ich gefragt habe.
Er hat außerdem Punkte von mir aufgenommen – Befürchtungen, Nachfragen, Bedenken – und sie so behandelt, dass ich Vertrauen gewonnen habe.
Er hat mir sogar bei der Finanzierung geholfen, mit einer sehr guten Finanzierungsoption, die wir dann tatsächlich genutzt haben.
Das hat das Ganze sehr angenehm gemacht.
Olaf:
Du hast eben gesagt, du hattest bestimmte Red Flags – zum Beispiel völlig absurde Kaufpreise oder wechselnde Darstellungen.
Gab es noch andere Punkte, bei denen du gesagt hast: Wenn das passiert, bin ich raus?
André:
Ja, zum Beispiel die Mitwirkenden – also Mitarbeiter, die man übernimmt, oder der vorhandene Führungskreis.
Ich war beispielsweise bei einem Modeunternehmen – das war noch in der Phase, in der ich dachte: Egal, was du machst, Hauptsache du führst ein Unternehmen, auch wenn es eine neue Branche ist.
Die haben für andere Firmen hochwertiges Merchandise hergestellt, bestickt, alles sehr professionell. Sie hatten eine tolle Kundenkartei – wirklich spannende Unternehmen.
Ich bin dorthin gefahren, habe die Inhaberin getroffen, die ausscheiden wollten, und zwei ihrer engsten Mitarbeiter.
Und die waren mir so unsympathisch in diesem Gespräch – das ging gar nicht.
Wir sind dann auch von der anderen Seite nicht zusammengekommen, wahrscheinlich, weil es gegenseitig so war.
Aber das war ein Kriterium: Ich hätte das Unternehmen nicht übernommen, nur um mich anschließend mit Leuten herumzuschlagen, die ich eigentlich sofort entlassen möchte.
Das muss dann schon passen.
Interessanterweise hatte ich bei dem Unternehmen, das ich dann tatsächlich gekauft habe, überhaupt keine Ahnung, wie die Leute sind.
Ich kannte nur Fotos und kurze Beschreibungen aus den Unterlagen – persönlich kennengelernt habe ich sie erst am ersten Arbeitstag, nachdem der Kauf vollzogen war.
Das war also eine Wundertüte. Aber ich hatte Vertrauen – weil ich wusste, die Leute, mit denen ich vorher gesprochen hatte, suchen selbst Leute aus, mit denen sie auskommen.
Man kann ja auch nicht jemandem, der noch nicht gekauft hat, das ganze Team vorstellen – und dann kommt der Verkauf vielleicht gar nicht zustande.
Das ist eine Schwierigkeit in solchen Prozessen: Man muss die Karten bis zum Schluss bedeckt halten.
Und dann, wenn der Vertrag unterschrieben ist, ist es passiert – und du sitzt da mit deinem neuen Team.
Da war ich sicherlich etwas risikoaffin – das hätte ja auch schiefgehen können.
Aber es war nicht so. Zum Glück.
Rahel:
Ja, das ist schon eine schwierige Situation – gerade, wenn dir wichtig ist, dass du mit Menschen zusammenarbeitest, die zu dir passen.
Olaf:
Gab es für dich auch den Fall, dass du mit Beratern konfrontiert warst, die für dich überhaupt nicht gepasst haben?
André:
Ja, auch das gab es– und das waren dann meist sehr kurze Prozesse.
Zum Beispiel unterschreibe ich grundsätzlich kein NDAs mit pauschalen Strafzahlungen. Ein NDA ist ein NDA – und wenn jemand es bricht, kann das im Zweifel ein Gericht entscheiden.
Aber wenn da steht: 10.000 Euro Strafe, wenn das oder das passiert – so etwas unterschreibe ich nicht.
Da habe ich mich mit ein paar Beratern gleich zu Beginn gefetzt, und dann war das Thema auch sofort erledigt.
Dann sage ich: Behaltet euer Unternehmen, das mache ich nicht.
Olaf:
Ja, okay. Und dann kam ja die Due Diligence.
War das für dich damals überhaupt ein Begriff – „Due Diligence“?
André:
Ja, das war ein Nebelkonstrukt. Ich wusste nur: Da steckt irgendwas drin, man muss durch so einen Wald laufen und sich jeden Baum anschauen. Man weiß aber nicht, wie groß der Wald ist – oder wo man vielleicht noch mal graben muss.
Ich hatte sowas noch nie gemacht.
Olaf:
Und wie bist du darangegangen? Du hast dir sicher gesagt: Ich muss das Unternehmen prüfen.
André:
Es gab natürlich Literatur, die beschreibt, worauf man achten sollte.
Die Due Diligence war von Verkäuferseite sehr gut vorbereitet, sodass ich nach vielen Dokumenten gar nicht erst fragen musste – die standen schon bereit.
Dokumente, nach denen ich gefragt habe, wurden sehr schnell geliefert – und auch in einer Qualität, die Vertrauen geschaffen hat.
Da kamen keine zerknautschten Kopien, sondern sauber aufbereitete Unterlagen.
Das war wieder ein Teil des Vertrauensbildungsprozesses:
Zu sehen, dass alles da ist, was ich brauche – und was ich zusätzlich wünsche, kommt schnell und ohne Diskussionen.
Keine Nachfragen wie: Warum brauchst du das denn? – sondern einfach: Hier ist es.
Das hat in dem Prozess sehr geholfen – und letztlich auch dazu geführt, dass ich mich zum Kauf entschieden habe.
Olaf:
Das hast du jetzt mehrmals gesagt – Vertrauen war für dich ein elementarer Bestandteil, um die Übernahme überhaupt machen zu können.
André:
Ich weiß nicht, ob das für alle Unternehmenskäufer funktioniert – in meinem Fall war es eine sehr kleine, überschaubare Geschichte.
Wenn man ein größeres Unternehmen kauft, mit vielen Angestellten, vielleicht mit materiellen Assets, Maschinen, Immobilien – da reicht Vertrauen natürlich nicht.
Da braucht man Fachleute, die das bewerten können.
In meinem Fall traute ich mir zu, das zu überblicken: Softwareentwicklung, Prozesse, Tools – das war meine Welt, da konnte ich die Risiken selbst einschätzen.
Aber in anderen Fällen – mit anderen Gewerken – müsste der Prozess sicher anders laufen.
Da reicht Vertrauen allein nicht so weit.
Olaf:
Du hast ja trotzdem auch Zahlen geprüft – also Jahresabschlüsse, Arbeitsverträge, Kundenverträge und so weiter. Hast du das alles selbst angeschaut?
André:
Ja, absolut.
Ich habe mir jedes Dokument angesehen, das im Datenraum lag. Es war gut sortiert – nach Finanzunterlagen, Arbeitsrecht, Steuern, Versicherungen und so weiter.
Ich habe wirklich jedes Dokument gelesen.
Nicht jedes bis in die letzte Excel-Zelle, aber ich wusste, was wichtig war, welche Unterlagen entscheidend sind, und ob die Zahlen in den Einzeldokumenten mit den Zusammenstellungen übereinstimmen.
Ich habe mir von jedem Dokument ein Bild gemacht:
Was trägt dieses Dokument zu meiner Entscheidung bei?
Olaf:
Und bist du dabei auf Dinge gestoßen, bei denen du gesagt hast: Oh, das ist aber ein krasses Risiko?
André:
Es gab eine Sache, die ich damals noch nicht richtig verstanden habe und bei der ich im Nachhinein sagen muss: Da habe ich wahrscheinlich einen Fehler gemacht.
Es ging um einen Kredit, der in der Firma steckte. Wir haben uns am Ende auf ein Cash-and-Debt-Free-Modell geeinigt, woraus sich ergab, dass der Kredit innerhalb einer relativ kurzen Zeit zurückgezahlt werden musste.
Das war ein Punkt, den ich später gedanklich ausgeblendet habe, weil die Entscheidung schon gefallen war.
Aber da hätte man sicher etwas anders machen können.
Da stand eine extra Summe – etwa 75 % meines eigentlichen Kaufpreises noch einmal oben drauf, um die es dann dort ging.
Ich habe das lange hin- und hergeschoben und mich gefragt:
Was mache ich damit? Kaufe ich den Kredit mit? Oder nicht? Was passiert, wenn er bestehen bleibt?
Da war ich eine Zeit lang unsicher.
Olaf:
Du hast dann ein ganz interessantes Konstrukt gewählt, um mit dieser Unsicherheit umzugehen, wie du eine erweiterte Due Diligence gemacht hast – du bist erst einmal Geschäftsführer geworden und hast erst ein halbes Jahr später gekauft. Kannst du das noch einmal beschreiben?
André:
Ja, genau. Das war eine Konstruktion, um meine Unsicherheit abzufedern.
Wir hatten damals ein Pfand von 20.000 Euro vereinbart, das hinterlegt wurde.
Olaf, du hast mal zu mir gesagt: Wenn man Unternehmer wird, muss man an alle Zahlen eine Null dranhängen. Ich habe mittlerweile gelernt: Man kann in manchen Kontexten sogar zwei oder drei Nullen dranhängen.
20.000 Euro als Privatperson sind im Unternehmenskontext eben keine 20.000 Euro mehr, sondern gefühlt 2.000. Das ist auf einmal kein großer Betrag mehr.
Die Summe diente als Absicherung dafür, dass ich nach der Einarbeitung nicht einfach sagen konnte: Ich habe keine Lust mehr, ich gehe wieder.
In gewisser Weise war das eine Art „Fußfessel“.
Das Ganze war so angelegt, dass ich de facto einen Beurteilungsspielraum hatte, um mich in diesem halben Jahr auch noch dagegen zu entscheiden.
Wobei es eigentlich weniger als ein halbes Jahr war – die Entscheidung musste nach vier, fünf Monaten fallen.
Es war also durchaus ein Ausstiegsszenario vorgesehen, aber ich war schon so weit im Prozess, dass ich dachte: Jetzt gehst du den Weg weiter.
Wie beim Pilgern: Wenn man schon auf dem Weg ist, läuft man weiter.
Natürlich spielte auch der Gedanke eine Rolle: Wenn du jetzt aussteigst, verlierst du den Pfand.
Und dann wäre ich nach einem Jahr voller Einsatz wieder auf null gewesen – das kam für mich nicht infrage.
Ich hatte Zweifel, ob ich die richtige Entscheidung treffe, aber ich habe sie dann getroffen.
Und im Nachhinein war das auch in Ordnung so.
Olaf:
Wie würdest du dieses Konstrukt heute bewerten? Es ist ja nicht ganz üblich, dass so etwas stattfindet. Würdest du es anderen empfehlen?
André:
Es hat zwei Seiten.
Die Verkäufer sind natürlich ein hohes Risiko eingegangen – sie hatten ein halbes Jahr lang jemanden im Team, der dort eine Rolle spielte und theoretisch auch Schaden hätte anrichten können.
Ich war in dieser Zeit zwar Geschäftsführer, aber nicht allein unterschriftsberechtigt – also vertraglich abgesichert. Trotzdem war das für die Eigentümer ein Risiko.
Aus meiner Perspektive war es aber eine kluge Konstruktion, weil sie mich in gewisser Weise committed hat. Und vielleicht funktioniert das nicht für jeden gleich gut – bei mir hat es funktioniert.
Ich hatte dieses Commitment, das mich klar in die Richtung gedrängt hat, weiterzugehen und nicht wieder auszusteigen.
Empfehlen würde ich das, wenn auf beiden Seiten schon ein gewisses Vertrauen gewachsen ist. Wenn das fehlt, wäre das Risiko zu hoch – ich habe später selbst als Verkäufer erlebt, dass man sich genau überlegen muss, ob man so etwas zulässt. Ich hätte so eine Konstellation nicht gewählt, mir wäre das Risiko zu hoch gewesen.
Andererseits kaufst du ohne so ein Modell eben ein Stück weit die Katze im Sack.
In gewisser Weise war das eine Art Probezeit – die es in Geschäftsführerverträgen ja eigentlich gar nicht gibt.
Insofern: Es war ein interessantes, pfiffiges Modell – auch wenn ich mich ehrlicherweise auch ein bisschen unter Druck gesetzt gefühlt habe.
Rahel:
Das ist nachvollziehbar – und mit den „privaten Nullen“, die man dranhängen muss, ist das natürlich ein relevanter Betrag. Andererseits, wenn es alles ganz schlimm gewesen wäre, hättest du das einfach ziehen können und wärst raus gewesen.
Olaf:
Eine gründliche Due Diligence hätte wahrscheinlich auch nicht weniger gekostet.
Von daher war das aus deiner Sicht gar kein schlecht verhandelter Vertrag.
André:
Stimmt – es war im Prinzip eine Due Diligence am Objekt.
Ich konnte die Unterlagen prüfen und zusätzlich die Praxis erleben.
Das ist sicher nicht in jedem Fall machbar, aber es war ein ehrlicher Prozess – ehrliche Zahlen, ehrliche Angaben. Ein Verkäufer, der etwas zu verbergen hat, würde sich auf so etwas nie einlassen.
Insofern kann ich das jedem empfehlen: einfach mal fragen, ob so eine Phase möglich wäre. Damit bekommt man sehr schnell ein Gefühl dafür, ob man eine Katze im Sack kauft oder nicht.
Ich weiß nicht, wie viele Unternehmensverkäufe so laufen, dass sich später jemand über den Tisch gezogen fühlt – aber wie bei Immobilien:
Die Wasserleitung hinter der Wand im Keller sieht man halt erst, wenn man eingezogen ist.
Olaf:
Was würdest du denn heute anders machen – gerade in der Überprüfungsphase?
André:
Ich würde mir mehr Beratung holen – sowohl mit dem Wissen von damals als auch heute. Selbst wenn ich heute wieder ein Unternehmen kaufen würde, würde ich mir Unterstützung holen.
Trotz allem bleibt die Entscheidung am Ende eine einsame Entscheidung. Du musst selbst entscheiden, ob du das Kapital einsetzen willst, ob du der Aufgabe gewachsen bist, und ob es die richtige Aufgabe für dich ist.
Was ich definitiv anders machen würde, das habe ich extrem unterschätzt: Ich würde mir von Anfang an einen Partner suchen – jemanden, der aktiv mit im Boot ist.
Nach einem halben Jahr ist die damalige Geschäftsführerin, die mich eingearbeitet hat, ausgestiegen, und da war auf einmal ein Loch.
Nicht, weil mir Kompetenz fehlte, sondern weil plötzlich die gesamte Verantwortung allein auf meinen Schultern lag.
Das hat mich sehr belastet – ich habe viele Nächte nicht geschlafen, hatte Herzrasen, war schlicht überfordert. Ich habe das anderthalb Jahre durchgehalten, aber es war eine harte Zeit.
Die Alteigentümer waren in dieser Zeit als passive Gesellschafter weiter mit 50 % beteiligt, aber operativ lag alles bei mir. Das fand ich unangemessen.
Das würde ich auf jeden Fall anders machen, ich würde mir von Anfang an jemanden suchen, der eine zweite Rolle in der Geschäftsführung übernimmt. Denn ab dem Moment, als dann später jemand die zweite Hälfte übernommen und auch operativ Verantwortung getragen hat, konnte ich wieder ruhiger schlafen.
Das war ein krasser Effekt – wahrscheinlich auch eine Charakterfrage. Das war nicht meine Nummer, das komplett allein als Lonely Cowboy durchzuziehen.
Olaf:
Das heißt, du musstest für dich auch erst herausfinden, dass du nicht der alleinige, dominante Geschäftsführer bist, sondern dass du lieber in einer geschäftlichen Partnerschaft arbeitest.
André:
Es hat noch nicht einmal mit der Dominanz zu tun oder der Rolle, vielmehr der Punkt, in diese neue Welt hineinzukommen: Ich war plötzlich in einem Wirtschaftssystem unterwegs, in dem nicht alle mit offenen Karten spielen.
Ich hatte damals drei Rechtsstreitigkeiten aus der Vergangenheit in den Unterlagen – teils abgeschlossen, teils noch anhängig. Das hat mich schon berührt.
Ich selbst bin bisher zweimal daran vorbeigeschlittert, bin aber bis heute ohne Rechtskonflikt durchgekommen – toi toi toi –, aber dann da alleine zu sitzen und zu merken: Jetzt geht’s dir wirklich an die Kehle. Da ist jemand, der dich existenziell bedroht – nicht physisch, aber wirtschaftlich. Das war neu für mich.
Und da habe ich gemerkt: Ich habe noch nicht alle Kompetenzen, um ein Unternehmen allein zu führen – vielleicht werde ich sie auch nie haben.
Wie schon gesagt: Zum Beispiel Vertrieb – das ist nicht meine Stärke, höchstens begleitend.
Ich halte eine partnerschaftliche Führung und echtes Sparring für enorm wertvoll.
Denn man kann gar nicht alles überblicken – weder Risiken noch Chancen.
Da kommen Anfragen, Kooperationen, Investoren – und du musst entscheiden: Will ich das? Ist das das Richtige?
Und dafür ist Austausch und mindestens eine zweite Sichtweise wichtig und kann entscheidend sein.
Rahel:
Das passt auch zu dem, was du vorhin gesagt hast – du hattest kein Unternehmernetzwerk im Hintergrund, niemanden, den du mal schnell fragen konntest.
André:
Genau. Und als die vorherige Geschäftsführerin noch mit an Bord war, habe ich sie oft gefragt: Wie würdest du das machen?
Und wenn sie gesagt hat: Mach, wie du’s für richtig hältst, dann war das auch eine Art Bestätigung – dann konnte ich sagen: Okay, ich entscheide das jetzt selbst.
Rahel:
Das ist nachvollziehbar – man fühlt sich einfach sicherer, wenn man jemanden hat, der theoretisch wissen könnte, was richtig ist, auch wenn er es im Moment nicht weiß.
André:
Genau. Es ist leichter, gemeinsam nicht zu wissen, als allein.
Olaf:
Kommen wir noch mal zum Abschluss des Kaufvertrags – wie habt ihr euch damals auf den Kaufpreis geeinigt?
André:
Nach meiner Erinnerung wurde da gar nicht mehr viel diskutiert.
Ich hatte ein indikatives Angebot abgegeben – eigentlich sogar zwei.
Ich hatte ja zuerst das andere Unternehmen mit meiner Frau gekauft und war damit eigentlich raus.
Dann kamen die Verkäufer noch einmal auf mich zu und wollten die Runde neu eröffnen.
Da bin ich wieder eingestiegen und habe mein Angebot gesenkt.
Danach wurde kaum noch verhandelt – also keine Detaildiskussionen über 50 Euro oder ähnliches.
Rahel:
Dein ursprüngliches Angebot war definitiv höher, aber am Ende hat sich der Preis durch Angebot und Nachfrage eingependelt.
André:
Ja. Ich habe gesagt: Wenn ich noch mal ins Spiel kommen soll, dann nur zu diesem Preis. Und die Verkäufer haben zugestimmt.
Es gab keine nachträglichen Abschläge aufgrund der Due Diligence – also keine Reduktion nach dem Motto: Weil ich das gefunden habe, müssen wir jetzt 100.000 Euro weniger zahlen.
Wir haben uns auf den Kaufpreis verständigt – Punkt.
Nur die Kreditsache und die Frage, welche erwirtschafteten Gewinne noch entnommen werden, waren kurz unklar, aber das ließ sich alles klären – und am Ende passte es wohl für beide Seiten.
Olaf:
Hast du andere Themen verhandelt? Es ist ja nicht nur der Kaufpreis, der eine Rolle spielt – da hängen immer viele Dinge dran.
André:
Ich glaube, von meiner Seite gab es da nichts Großes mehr. Es gab immer wieder Vorschläge, wo man gesagt hat: Okay, da gehen sie auf etwas ein, was du genannt hast.
Also von Beraterseite und von Eigentümerseite kamen dann Ideen, wo ich dachte: Ja, das ist eigentlich ein guter Vorschlag.
Aber ich kann mich wirklich nicht erinnern, dass ich noch einmal etwas Entscheidendes eingefordert hätte.
Rahel:
Ich denke, die Vermittlertätigkeit des Beraters hat da noch mal eine Rolle gespielt – er hat geguckt, wo es bei dir noch Punkte gibt, und was er auf Verkäuferseite bewirken kann, um den Deal möglich zu machen.
André:
Ja, genau. Wir haben schon ein paar Wochen Runden gedreht, immer wieder mit Anpassungen des Termsheets, daran kann ich mich erinnern. Insbesondere der Kredit und die Gewinnausschüttung – das waren zwei Punkte, wo ich kurz gestockt habe.
Aber das hat sich Schritt für Schritt alles hin zum Ziel gefügt.
Olaf:
Und wie hast du die andere Seite wahrgenommen – gab es Konkurrenz, gab es Ansprüche an dich?
André:
Also im Sinne von: „Wir haben da jetzt ein anderes Angebot, und wenn du das nicht machst, verkaufen wir an jemand anderen“ – so etwas gab es nicht.
Ich kenne das Bewerberfeld nicht genau. Ich habe meine Vermutung, wie das Interessentenfeld ausgesehen hat.
Ich weiß aber im Nachhinein, dass es im Unternehmen Vorfälle mit früheren Aspiranten gab, die sehr unangenehm waren. Deshalb wurde auf diese menschlichen Aspekte von Seiten der Eigentümer nach meinem Gefühl sehr großer Wert gelegt. Deswegen wurden solche Spielchen nicht gespielt.
Vielleicht lag es daran, vielleicht auch an der Marktlage – ich weiß nicht, wie viele andere Interessenten es tatsächlich gab.
Aber es gab jedenfalls keine Drohungen nach dem Motto: „Wenn du das nicht tust, geht’s halt nicht.“ Ich denke, das wäre auch ohnehin ein Ausstiegspunkt für mich gewesen.
Olaf:
Ich meine jetzt gar nicht nur diese Ultima-Ratio-Verhandlungen, sondern eher: Hattest du das Gefühl, dass du dich quasi bewerben musstest?
Also war dein Eindruck damals – vor fünf Jahren – eher, dass es ein Käufermarkt war oder ein Verkäufermarkt? Gab es Ansprüche an dich, oder war es so, dass du, sobald du bereit warst, den Kaufpreis zu zahlen, im Spiel warst?
André:
Ich glaube, es gab durchaus Ansprüche.
Man stellt sich ja vor, man wird sichtbar, und man bringt auch eine gewisse Historie mit.
Ich hatte ein paar Dinge im Hintergrund, die für die Verkäufer interessant gewesen sein könnten – das wurde mir auch so gespiegelt.
Es wurde auch eine Referenz über mich eingeholt, und die war wohl positiv.
Was da genau passiert ist, habe ich nicht hinterfragt.
Aber klar, es ging nicht nur darum, dass ich das Unternehmen kaufen wollte – es ging auch um Bindung. Ich wollte ja nur 50 Prozent übernehmen, und für die zweite Hälfte gab es noch keinen Käufer.
Dadurch haben wir uns gegenseitig gebunden, und das war, glaube ich, für die Verkäufer ein wichtiges Kriterium – gerade nach den unangenehmen Erfahrungen, die sie vorher mit anderen Interessenten gemacht hatten.
Ich habe mich also nicht im klassischen Sinne beworben – keine Mappe, kein Vorstellungsgespräch mit Fragen wie: „Wie würden Sie das machen?“
Aber natürlich gab es einen Austausch über Herangehensweisen, über Teamführung, Agilität, Softwareentwicklung – und ich wurde dabei sicher auch „abgeklopft“.
Trotzdem habe ich das nicht als Bewerbung empfunden.
Ich glaube auch nicht, dass ich das Unternehmen einfach bekommen hätte, nur weil ich bereit war, den Preis zu zahlen. Den Verkäufern war wichtig, einen Nachfolger zu finden, von dem sie glaubten, dass er in ihre Fußstapfen treten kann. Das war ein wichtiges Element.
Und natürlich gibt es im Nachhinein immer Dinge, die man gern vorher gewusst hätte.
Aber die Geschichte ist die Geschichte – man geht dann eben den Weg, den man eingeschlagen hat.
Also: Bewerben muss man sich immer, wenn man so etwas machen will.
Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass es ein klassisches Bewerbungsverfahren war.
Olaf:
Aber der gemeinsame Wertekompass war schon wichtig – für beide Seiten.
André:
Ja, absolut. Über den haben wir uns schon früh verständigt – und auch später immer wieder. Und der hat gut gepasst.
Wenn du den zu den Kriterien dazu nimmst, die entscheidend waren, war das sicher ein wichtiger Punkt.
Olaf:
Wahrscheinlich auch auf deiner Seite, oder? Wenn jemand ein Unternehmen abgibt, das er lange geführt hat, spielt das eine große Rolle.
Das sieht man ja auch im Mittelstand – da wird selten an beliebige Käufer verkauft.
André:
Ja, ich würde sogar empfehlen, das ganz bewusst abzuprüfen.
Es gibt viele Geschichten, wo Unternehmen nach einem Verkauf völlig umgekrempelt wurden – und manchmal war das erfolgreich.
Aber von den Fällen, wo das schiefgegangen ist, hört man wenig. Da wird dann viel Porzellan zerschlagen, Menschen werden in ihrer Karriere ausgebremst – solche Dinge sieht man selten öffentlich.
Ich glaube, dass der Weg, in ein bestehendes Wertesystem einzutreten und es zu teilen, der erfolgreichere ist, um ein Unternehmen weiterzuführen.
Der andere Weg kann funktionieren, aber ich denke, in vielen Fällen funktioniert er nicht.
Beweisen kann ich das nicht – das ist einfach meine Überzeugung.
Olaf:
Es geht ja auch um deine Erfahrungen, nicht um Lehrbuchwissen.
Dann springen wir abschließend noch kurz zur Finanzierung. Wie hast du den Kaufpreis finanziert?
André:
Etwa ein Sechstel aus Eigenkapital – der Rest kam über einen Bankkredit.
Olaf:
Und haben sich die Verkäufer über ein Verkäuferdarlehen beteiligt?
André:
Ich glaube, in dem konkreten Fall nicht. Später hatten wir solche Konstruktionen, wo wir das gemeinsam gemacht haben, aber hier nicht.
Olaf:
Beim zweiten Verkauf – also als die zweite Hälfte verkauft wurde – gab es, glaube ich, so eine Zwischenlösung, oder?
André:
Genau, da haben wir für kurze Zeit eine Art Zwischenfinanzierung gemacht. Aber in dem ersten Fall war es tatsächlich komplett eigenfinanziert.
Rahel:
Und du hattest ja vorhin schon erwähnt, dass der Berater dich dabei gut unterstützt und dir eine gute Finanzierungsoption ermöglicht hat.
Olaf:
Dann kommen wir noch kurz zur Übergabephase. Ihr wart dann eine Weile gemeinsam Geschäftsführer – was war neben dem Unternehmerwerden in dieser Zeit deine größte Herausforderung?
André:
In der Übergabezeit selbst gab es eigentlich keine großen Herausforderungen.
Die eigentliche Herausforderung kam erst danach – also nach dem Ende der gemeinsamen Phase.
Ich glaube, sechs Monate sind eine gute Zeit für viele Unternehmen.
Das ist mehr als die klassischen 100 Tage – etwa 180 Tage, also rund 100 Arbeitstage.
Das ist eine gute Phase, um reinzukommen und dann das Heft des Handelns zu übernehmen.
Für mich kam die Herausforderung wirklich erst danach – das plötzlich allein zu bewältigen. Damit habe ich lange gekämpft. Das war meine größte Herausforderung nach dem Kauf.
In der Übergabezeit selbst lief alles gut – das war eine positive, produktive Phase.
Olaf:
Was ich bei dir spannend finde, ist, dass sich dein Team kaum verändert hat.
Ich glaube, viele sind heute noch da, oder?
André:
Ja, der Kern des Teams, den ich damals übernommen habe, ist sehr stabil geblieben.
Das sind vier Personen – von jetzt insgesamt 19.
Wir haben das Team erweitert, ein paar Leute verloren – meist, weil sie ins Studium gegangen sind.
Später habe ich zwei Fehlentscheidungen bei Neueinstellungen getroffen, wo wir uns wieder getrennt haben. Und drei der Neueinstellungen sind inzwischen von sich aus gegangen, weil sie auch noch andere Pläne hatten.
Aber insgesamt herrscht Ruhe und Stabilität – und das liegt sicher auch an diesem alten Kern, der damals schon dabei war.
Olaf:
Ja, und wahrscheinlich auch an dir als Übernehmer.
Für viele ist ein Führungswechsel ja auch Anlass, ihre eigene Karriere zu überdenken.
André:
Ja, stimmt.
Olaf:
Ich denke, das spricht sehr für dich.
Rahel:
Ja, das ist wirklich bemerkenswert.
André:
Danke. Ja, das kann man so sehen.
Olaf
André, dann lassen wir mich zum Schluss kommen. Welche Frage haben wir dir nicht gestellt, die wir dir hätten stellen sollen?
André
Es ist ein unheimlich reicher Fragenkatalog, bei dem mir keine Frage fehlt. Auch in Hinblick darauf, es als eine Hilfestellung für andere Übernehmer zu sehen, sehe ich keine Lücken.
Olaf
Okay, und dann, was uns natürlich noch interessiert – kennst du jemanden, mit dem wir auch über dieses Thema sprechen sollten? Falls dir jemand einfällt – idealerweise auch jemand, den wir noch gar nicht kennen – würde uns auf jeden Fall sehr freuen, wenn du da vielleicht ein Intro machen könntest.
André
Natürlich, gerne. Schicke ich Euch gerne nach.
Olaf
André, vielen Dank für das Gespräch.
André
Ja, danke auch an euch für die Initiative.